Gesten, Gaming, Gyroskope
Die Integration von Gyroskopen und Beschleunigungssensoren hat mittlerweile einen Punkt erreicht, an dem auf einfache und kostengünstige Weise die Erkennung und differenzierte Auswertung von Bewegungen in Consumer-Geräten möglich wird. Auf der Suche nach erfolgversprechenden Produktvorteilen implementieren Hersteller Bewegungssensoren in Mobiltelefone, Digitalkameras, TV Fernsteuerungen oder auch in medizinische Geräte, um sich vom Wettbewerb zu unterscheiden. Möglich wird das durch die Fortschritte der MEMS-Technologie, dank der sich Trägheitssensoren wie Gyroskope, Beschleunigungsmesser oder Kompasssensoren in großen Stückzahlen preiswert herstellen lassen.
Bewegung steuert Computer
So wird die Auswertung der physikalischen Größe “Bewegung“ eine zunehmend obligatorische Funktion in modernen Spielkonsolen, wie am Beispiel von Nintendos Wii oder Sonys PS3 zu sehen aber auch in Smart- und Mobiltelefonen, wo sie zur Bestimmung der Bildorientierung und ganz allgemein als Eingabeschnittstelle dient.
Bewegungsgesteuerte Funktionen finden ihren Weg in ganz unterschiedliche elektronische Geräte so z.B. in portable medizinische Anwendungen zum Patienten-Monitoring und zur Rehabilitationsüberwachung. Digitale Kameras werden mit Positions- und Lagesensoren ausgerüstet, um die visuelle Information durch Angaben zum Aufnahmeort zu erweitern und auch die genaue Richtung der Kamera zum Zeitpunkt der Aufnahme zu dokumentieren.
TV-Fernsteuerungen der nächsten Generation verfügen über eine schnelle Zweiwege-Kommunikation zum Media-Center und enthalten Sensoren zur präzisen Lageerkennung, um eine ergonomische Menüführung auf dem Bildschirm zu erreichen. Da mit fortschreitender Erfahrung die Komponenten der Bewegungsverarbeitung zunehmend kleiner und kostengünstiger werden, sind den Anwendungen prinzipiell keine Grenzen gesetzt.
Messverfahren
Hier eine Übersicht der heute verfügbaren Messverfahren in serientauglichen Bewegungssensoren.
Beschleunigung
Beschleunigungssensoren oder Accelerometer erfassen lineare Bewegung und Lagewinkel:
- Beschleunigung aufgrund von Schwerkraft
- Beschleunigung aufgrund von Bewegung
Bild zeigt das Prinzip des Beschleunigungssensors – ein freigestellte Prüfmasse reagiert auf Beschleunigung durch Bewegung in Vorzugsrichtung. Dadurch ändert sich der Wert der variablen Kapazität „C“ und führt über eine geeignete Messwertverarbeitung zu einer entsprechenden Änderung des Ausgangswertes.
Derzeit am Markt verfügbare Lösungen integrieren typischerweise Sensoren für die 3 Raumrichtungen X, Y, und Z und beinhalten auch die notwendigen ADCs zur Digitalisierung der Messwerte mit Auflösungen von 6 bis 14 Bit. Sensoren für Consumer-Geräte haben i.d.R. einen Messbereich von ±1g bis ±8g und einen Stromverbrauch im Bereich einiger 10μA im Low-Power Wake-Up Modus (bei ~10Hz Abtastrate) und bis zu 400μA im Full-Power-Modus bei einer Rate von ~200Hz.
Der geringe Stromverbrauch und die recht niedrigen Kosten sind natürlich ideal für Handheld-Entwickler, so dass die Accelerometer gerne als „Wake-Up“-Bausteine eingesetzt werden, also beispielsweise zum Starten eines MIDs, sobald es in die Hand genommen wird. Zudem dienen diese Sensoren häufig zur Detektion der Bildorientierung (Hoch- oder Querformat) oder als Schrittzähler beim Sport.
Einschränkungen
Da ein Accelerometer nicht zwischen Beschleunigung aufgrund von Schwerkraft und aufgrund von Bewegung unterscheiden kann, muss der Ausgabewert einer Interpretation bzw. Filterung unterzogen werden, will man ihn als Tilt-Sensor verwenden.
Dass lässt sich aber nicht für alle Bewegungsabläufe befriedigend durchführen, so dass die Beschleunigungssensoren gerne mit Gyroskopen ergänzt werden, um eine leistungsfähigere Bewegungsdetektion zu erzielen. So hat beispielsweise Nintendo seine Wii Remote – ausgestattet mit Accelerometern – mit Gyroskopen in Form eines „Motion Plus“-Dongles erweitert und damit die Grundlage für weitere Spiele geschaffen.
Gyroskope
Gyroskope oder Drehratensensoren werden zur Erfassung von Winkelgeschwindigkeiten verwendet. Bild zeigt die physikalische Grundlage, den sog. Coriolis-Effekt, der besagt, dass eine mit Ω rotierende Masse einer Beschleunigung acor aussetzt ist, wenn sie linear mit der Geschwindigkeit V bewegt wird.
Die Coriolis-Beschleunigung wird dann wiederum dazu benutzt, um die Kapazität einer Kondensatorstruktur mechanisch zu verändern, diese Änderung in eine Spannungsänderung zu konvertieren, die letztlich als Äquivalent der Drehrate gemessen werden kann. Den Stand der Technik bei Gyroskopen für Geräte der Consumer-Elektronik stellt das Invensense ITG-3200™ dar, ein digitales 3-Achsen Gyroskop. Es ist der weltweit erste Drehratensensor mit Unterstützung der 3 Achsen X, Y und Z, integriert in einem Chip. Bis heute konnte das große Marktvolumen für 3D-Remote Controls mit bewegungsgesteuerter Menünavigation wegen des Fehlens geeigneter Sensorangebote und den damit einhergehenden Gesamtkosten nicht erschlossen werden.
Der ITG-3200 adressiert nun diesen Bedarf durch seine innovative Systemintegration und einem Design der digitalen Ausgabeschnitt-stelle, die eine Reduktion der Stromaufnahme um mehr als 60% im Vergleich zu analogen Wettbewerbslösungen erzielt und die Bauteilgröße um die Hälfte verringert.
Anders als Accelerometer reagieren Gyroskope nicht auf Schwerkraft, sondern ausschließlich auf Drehbewegungen. Daher stellen sie eine ideale Kombination mit Beschleunigungssensoren dar und ermöglichen die Zerlegung von Bewegungsvektoren in die separaten Komponenten Schwerkraft, lineare und rotierende Bewegung. So zeigt das Bild das Drehen eines portablen Gerätes vom Quer- in das Hochformat und wieder zurück. Die Aufzeichnung des 3-Achsen-Beschleunigungsmessers (linke Spalte) zeichnet daher zunächst einen konstanten Wert in X-Richtung auf, dann (nach dem ersten Drehen) ein konstanten Wert in Y-Richtung usw. Bei jedem Übergang aber tauchen unerwünschte Effekte auf, die durch Beschleunigungen entstehen. Diese könnten natürlich durch einen Tiefpassfilter eliminiert werden, doch reduzierte diese Maßnahme auch die Empfindlichkeit des Sensors.
Besser ist es, zum Accelerometer noch ein Gyroskop zu spendieren und die beiden Ausgangsvektoren (für je x, y und z) mit einem mathematischen Prozess namens Sensor-Fusion zu verknüpfen. Die rechte Spalte zeigt das Ergebnis dieser Operation, es gibt hier nun ein klares und störungsfreies Signal der Orientierungsänderung.
Wo Gyroskope an Grenzen stoßen
Der Ausgang eines Gyroskopes ist eine Drehrate, d.h. es ist eine Einfach-Integration über die Zeit notwendig, um daraus die relative Winkeländerung zu ermitteln. Bei dieser Operation aber wird auch ein möglicher Bias-Fehler (Abweichung vom Nullwert bei Drehrate 0) von einer konstanten zu einer linearen Größe, d.h. er vergrößert sich mit zunehmender Integrationszeit.
Folglich müssen Methoden zur Kompensation dieser Fehler zum Einsatz kommen, die hervorgerufen werden durch Rauschen, Temperaturschwankungen und Zeit.
Eine Möglichkeit besteht auch hier wieder darin, den Gyroskopen andere Sensoren zur Seite zu stellen. Alternativ lässt sich ein Gyroskop natürlich auch dann recht einfach „nullen“, wenn es bekannterweise nicht bewegt wird. Dazu untersucht man in einer Zeitspanne von wenigen Sekunden alle Ausgangssignale und erfasst deren Änderungen. Liegen keine Änderungen vor, bedeutet das mit einiger Sicherheit eine stationäre Lage des Gyroskopes und es können die aktuellen Ausgangswerte als neuer Bias gesetzt werden.
Drift des Sensor-Signals
Natürlich haben auch Beschleunigungs- und Kompasssensoren eine Bias-Drift, nachdem aber die Ausgabewerte beider Typen keiner Integration unterzogen werden müssen (Accelerometer liefert Tilt-Winkel aufgrund von Gravitation, Kompasssensoren liefert unmittelbare Winkelausgaben), gibt es auch keine nicht-konstanten Fehler.
Wenn der Beschleunigungssensor allerdings dazu eingesetzt werden soll, um Distanzen zu ermitteln, dann ist eine doppelte Integration notwendig, bei Ermittlung von Geschwindigkeiten immer noch eine einfache Integration.
Ganz allgemein lässt sich formulieren, dass Bias-Fehler nur dann unwesentlich sind, wenn keine Integration des Ausgangssignales notwendig ist.
Magnetische Kompass-Sensoren
Magnetische Sensoren, auch Kompass-Sensoren genannt, werden zur Erfassung der Bewegungsrichtung in Bezug zum magnetischen Nordpol der Erde verwendet. Verschiedene Technologien kommen zur Realisierung zum Einsatz, einschließlich Hall, Anisotropic Magnetoresistive (AMR) sowie Giant Magnetoresistive (GMR).
Diese Bauelemente detektieren die Änderung bestimmter physikalischer Eigenschaften unter Einfluss eines Magnetfeldes und messen somit indirekt das Magnetfeld. Der Vorteil eines Kompass-Sensors liegt natürlich in seiner Fähigkeit, die Bewegungsrichtung in Bezug zu einer Referenz – dem magnetischen Norden – zu erfassen und auszugeben. Diese Fähigkeit besitzt ein Gyroskop nicht, denn es liefert lediglich einen relativen Wert der zurückgelegten Rotation. Zudem werden die Kompasssensoren üblicherweise nur zur Bewegungserfassung in Hoch- und Längsachse verwendet, wogegen Gyroskope gleichermaßen Bewegungsdaten für alle 3 Raumachsen liefern.
Einschränkungen
Leider reagieren magnetische Sensoren auch auf andere Einflüsse als nur dem Erdmagnetfeld (das typischerweise im Bereich von 30 µTesla bis über 60 µTesla liegt). So erfassen sie unter ungünstigen Umständen Signale aus Mobiltelefonen oder Störungen, verursacht durch elektrische Maschinen. Daneben messen sie natürlich auch solche Magnetfelder, die beispielsweise von den starken Magneten der Lautsprecher herrühren und in wohl jedem Haushalt vorhanden sind.
Das muss allerdings nicht unbedingt ein Problem sein, denn die Situation ist naturgemäß konstant, d.h. Lautsprecherboxen wechseln nicht während des Musikgenusses ihren Platz. Für Consumeranwendungen aber reicht ein stabile Richtungsinformation, auch wenn diese nicht genau dem magnetischen Norden entspricht.
Nicht zu vergessen - Bildsensoren
Der Vollständigkeit halber sei hier noch die Möglichkeit erwähnt, dass auch mit Bild- oder Kamerasensoren über einen Umweg Bewegungen erfasst werden können. So verwendet beispielsweise die Wii Remote eine in das mobile Gerät eingebaute Kamera, um in Verbindung mit einer IR-Zeile zu erfassen, an welchen Punkt des Bildschirms der Anwender seine Fernsteuerung richtet. Bildsensoren geben aber insgesamt keine guten Bewegungsdetektoren ab, da sie zahlreichen Einschränkungen unterworfen sind. So brauchen sie bestimmte Lichtverhältnisse, haben nur einen eingeschränkten Erfassungswinkel und haben mit typisch 15 bis 60 Frames / Sekunde eine nur langsame Erfassungsgeschwindigkeit.
9-Achsen MotionProcessing™ System
Die ultimative Bewegungserkennung aber ist eine Kombination aller Sensorarten, um die Limitierungen einzelner Typen durch andere Messverfahren auszugleichen. Das klingt aufwendiger als es sich heute realisieren lässt, denn alle 3 besprochenen Typen sind inzwischen als integrierte 3-Achsen-Lösungen zu geringen Kosten am Markt verfügbar. Mit 3 Sensorbausteinen, intelligent verknüpft durch einen Controller, lässt sich daher ein solches 9-Achsen System darstellen.
Um das Design von Systemen mit Bewegungsverarbeitung zu unterstützen, hat Invensense ein Referenzboard geschaffen, auf dem das digitale 3-Achsen-Gyroskop ITG-3200 integriert ist, zusätzlich aber auch ein 3-Achsen-Beschleunigungssensor sowie ein 3-Achsen-Kompass. Das Ganze bildet dann das 9-Axis-Reference Design und wird von einer Windows-Demo-Software komplettiert, mit dem sich alle Funktionen umfassend testen lassen (Siehe Bild).
Als Controller wurde ein Atmel AVR XMEGA 8-bit verwendet, der über I2C die Daten der je 3-achsigen Beschleunigungs-, Drehraten- und Kompasssensoren verbindet, ein Prozess, der bei Invensense Sensor-Fusion genannt wird. Die Firmware passt in ein 32 kByte FLASH und unterstützt „Air Mouse“, also frei bewegliche Zeigegeräte sowie die Aufzeichnung der Bewegungsdaten (data logging) und eine Multi-Funktions-Demo am PC, um die Funktionen aller Sensortypen zu präsentieren.
Das Referenzdesign implementiert den ITG-3200 mit seinen hoch auflösenden 16-Bit ADCs und der damit erzielbaren hohen Dynamik zur präzisen Erfassung sowohl langsamer als auch schneller Bewegungen.
Das Kit kombiniert in kleinem Formfaktor mit Akkubetrieb die Motion- Processing-Technologie von Invensense mit Bluetooth/USB-Schnittstellen und ist für Entwickler Ausgangspunkt für alle Arten von bewegungsgesteuerten Anwendungen. Es besteht aus 3 zusammengesteckten Mini-Baugruppen und ist klein genug, um auch in bestehende Geräte testweise integriert zu werden.
Hardware
Die System-Hardware des Demos besteht aus den 3 Komponenten Sensor, USB/Power sowie RF, jeweils aufgebaut auf separaten Platinchen und zu einem „Vollausbau“ zusammen steckbar. Bild 10 zeigt die Verbindungen und wichtigsten Signale des gesamten Systems. Das Sensorboard lässt sich auch separat betreiben, um es etwa testweise in eine Air-Mouse oder Fernsteuerung einzubauen.
Das USB/Power-Board bietet Unterstützungsfunktionen für die Sensoreinheit, einschließlich einer Li-Ionen-Akkuladeeinrichtung, einer USB-Schnittstelle sowohl zur elektrischen Versorgung / Aufladung als auch zur Datenübertragung zu einem PC. Als RF-Board kommt ein CSR-basiertes Bluetooth Modul zum Einsatz und dient der drahtlosen Datenübermittlung zum PC-Demoprogramm. Als Bluetooth-Profil wird aber nicht HID (= human interface device) verwendet, sondern SPP (= serial port profile), da es sowohl für die Übertragung von Rohdaten als zur Übermittlung der prozessierten Bewegungsinformation geeignet ist.
Grundsätzlich ist das 9-Axis Referenzdesign als offene Entwicklungsplattform konzipiert, um Entwicklern die Möglichkeit zu geben, sowohl bei der Verarbeitung der Sensordaten in der MPU als auch bei der Umsetzung in PC-Programmen eigene Ideen zu verwirklichen.
st
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Invensense_MotionProcessing_26082010_de.pdf | 1.95 MB |